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SchoolMatters




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21. Dezember 2021

05 Herausforderungen im Umgang mit psychischer Gesundheit

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5.5 Erste Hilfe für die psychische Gesundheit

Ein grosses Dankeschön an Roger Staub von Pro Mente sana für die Mitarbeit in diesem Kapitel.

Neun von zehn Personen kennen in ihrer Nähe jemanden, dem/der es psychisch nicht gut geht. Sie wären bereit zu helfen, wissen aber nicht wie. Es besteht ein gesellschaftlicher Konsens, dass es uns allen nützt, wenn (fast) alle Erwachsenen wissen, wie in lebensbedrohlichen Situationen Erste Hilfe geleistet wird. Vor 20 Jahren wurde in Australien ein Erste-Hilfe-Kurs für psychische Gesundheit (Mental Health First Aid) entwickelt, der ähnlich aufgebaut und gestaltet ist wie Nothelferkurse. Die Kurse wurden stetig weiterentwickelt und intensiv beforscht. Heute gibt es diese Kurse unter australischer Lizenz in 27 Ländern mit bald vier Millionen ausgebildeten Ersthelfenden. In der Schweiz ist die Stiftung Pro Mente Sana Lizenznehmerin und bietet die Kurse unter dem Namen «ensa – Erste Hilfe für psychische Gesundheit» in Deutsch, Französisch, Italienisch und Englisch an. Ihre Wirksamkeit wurde bereits wissenschaftlich belegt (vgl. mhfa.com.au/research/mhfa-course-evaluations).

Die Erste-Hilfe-Kurse bestehen aus vier Teilen und vermitteln das Basiswissen zu psychischer Gesundheit und den wichtigsten Krankheitsbildern. Das Akronym ROGER steht für die fünf Schritte der Ersten Hilfe (wie früher GABI für die Erste Hilfe bei Unfällen). Wissen vermitteln ist der eine Teil. Mindestens so wichtig ist im Kurs, Erste Hilfe zu üben und so Fähigkeiten und Fertigkeiten zu entwickeln, um Erste Hilfe tatsächlich leisten zu können.

Laien, die Erste Hilfe für psychische Gesundheit gelernt und geübt haben, tragen dazu bei, die unglückliche Kombination von Betroffenen, die schweigen und leiden, bis es nicht mehr geht, und einem Hilfesystem, das wartet, bis es aufgesucht wird, zu verändern (vgl. auch Kapitel 6). Die Ersthelfer:innen können sehen, dass es einer nahestehenden Person nicht gut geht, und helfen mit ROGER, dass die psychische Beeinträchtigung viel früher professionell abgeklärt und behandelt wird, als es in der Regel der Fall ist. Erfahrungen aus Australien und anderen Ländern zeigen, dass Betroffene diese Erste Hilfe meist gut annehmen. In einer Schweizer Umfrage antworteten Betroffene auf die Frage, was sie sich wünschen würden: sich mit einer nahestehenden Person offen und ehrlich austauschen zu können und Unterstützung zu erhalten.

Es gibt zwei Erwachsenen-Kurse, die sich für Schulen eignen:

  1. Der «Erste-Hilfe-Kurs Fokus Erwachsene» zeigt, wie Erwachsene anderen, ihnen nahestehenden Erwachsenen Erste Hilfe leisten können. Wenn 20 Prozent der Mitarbeitenden einer Schule Ersthelfende sind, besteht eine grosse Chance, dass Kolleginnen/Kollegen mit psychischen Belastungen früh Erste Hilfe angeboten wird, lange bevor es z.B. zu einem Burn-out kommt.
  2. Der «Erste-Hilfe-Kurs Fokus Jugendliche» zeigt Erwachsenen, wie sie den ihnen anvertrauten Jugendlichen Erste Hilfe leisten können. Ideal wäre, wenn alle Klassenlehrpersonen in Erster Hilfe geschult wären.

Internationale Erfahrungen mit dem «Erste-Hilfe-Kurs Fokus Jugendliche» zeigen, dass Lehrpersonen vor dem Kurs eher mit Ablehnung reagieren. Sie wollen sich „nicht auch noch“ um dieses Thema kümmern und empfinden den Zeitaufwand als zu hoch. Nach dem Kurs sind die Reaktionen sehr positiv: Lehrpersonen berichten, dass sie vom gelernten Wissen profitieren und Fähigkeiten und Fertigkeiten entwickelt haben, die ihnen im Schulalltag nützlich sind, dass diese Fähigkeiten sogar Zeit einsparen und ihre Arbeit erleichtern. Zudem erkennen sie, dass es den Erfolg der Schule ganz grundsätzlich in Frage stellt, wenn man „sich nicht für das Thema zuständig fühlt“ und den Schülerinnen/Schülern bei psychischen Problemen nicht viel früher professionell geholfen wird.

Neben den beiden oben beschriebenen Kursen gibt es zwei kürzere, themenspezifische Erste-Hilfe-Gespräche-Kurse. Der eine thematisiert Suizidgedanken und ist geeignet, wenn Schulen spezifisch die Suizidprävention verbessern wollen oder von einem Suizid betroffen waren. Der andere beschäftigt sich mit selbstverletzendem Verhalten ohne Suizidabsicht. Hier erhalten Lehrpersonen und auch andere, an einer Schule tätige Erwachsene das nötige Wissen zu diesem bei Jugendlichen häufigen Verhalten.

Alle öffentlich zugänglichen ensa-Kurse und -Webinare sind auf www.ensa.swiss aufgeschaltet und dort direkt buchbar. Für interne Kurse an einer Schule kann bei der Stiftung Pro Mente Sana eine Offerte verlangt werden.